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Jahresanalyse 2021 (mit Video)

Aktualisiert: 16. Mai


Im zweiten Jahr nach Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Krise zeigt sich im Naturkostfachhandel eine sehr dynamische Entwicklung: Nach einem starken Start gehen die Umsätze vor allem im letzten Quartal spürbar zurück. Verbunden mit dem Blick auf die Bonentwicklung ergibt sich ein durchwachsenes Bild - und es finden sich Indizien für eine mögliche Trendwende, welche Bioläden mit zunehmenden Herausforderungen konfrontieren wird.

 


Wachstumsstarker Start - ernüchterndes Ende


Als wir im Jahr 2021 die ersten Ergebnisse unseres Umsatzbarometers veröffentlichten, schien sich auf den ersten Blick der überaus positive Trend aus dem Vorjahr durchaus noch zu bestätigen: Das Umsatzplus im ersten Quartal lag bei 4,6 Prozent, und auch wenn das nicht mehr die zweistelligen Zusatzraten aus dem Jahr 2020 (Gesamtjahr +16,4%) waren, schien die Welt zum Jahresbeginn noch mehr oder weniger in Ordnung zu sein. Viele vergaßen, dass für die ersten beiden Monate als Vergleichswerte noch Umsätze aus prä-pandemischen Zeiten galten. Dass die Corona-Krise im Naturkostfachhandel zu zusätzlichen Absätzen führte ist inzwischen bekannt, die möglichen Ursachen wurden mehrfach beschrieben. Doch schnell stellte sich auch die Frage, wie nachhaltig diese Veränderungen im Kundenverhalten denn sein werden. Die satten Gewinne aus 2020 stimmten optimistisch.



Ein tieferer Blick auf das Gesamtjahr gibt nun die Möglichkeit, eine differenziertere und auch etwas ernüchternde Antwort zu geben: Die Absatzzahlen stagnieren seit März und gingen vor allem im letzten Quartal (-10,5%) für alle spürbar zurück. Schon im Sommer warnten wir im Blog vor einer möglichen Trendwende: Die Sondereffekte, die zwischenzeitlich zusätzliche Umsätze in den Fachhandel spülten, verloren zunehmend an Wirkung. Darüber hinaus steht die Frage im Raum, wann und wie sich die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Maßnahmen auch in unserer Branche zeigen werden. Der Verdacht liegt nahe, dass sich genau diese Entwicklung jetzt langsam zeigt. Im Jahr 2021 fiel das Weihnachtsgeschäft um 11 Prozent schwächer aus als im Jahr zuvor und bestätigte damit die negative Tendenz der Vormonate.

 


Ein Blick zurück: Vergleich mit den Zahlen "vor Corona"


Aufgrund der nachhaltigen Datenerfassung im Umsatzbarometer können wir dank der teilnehmenden Händler auch längerfristige Analysen durchführen. Nehmen wir zum Beispiel diese Sonderauswertung der Wachstumszahlen über die letzten ZWEI Jahre und stellen die Werte ins Verhältnis zu dem relativ "normalen Jahr" 2019: Es zeigt sich, dass wir es in der zweiten Jahreshälfte 2021 tatsächlich mit einer vermeintlichen Trendwende zu tun haben. Verglichen mit den Monaten Januar-Mai sind die Umsatzzuwächse eingebrochen!



Die Bioläden in Deutschland haben in der Corona-Zeit zunächst wirtschaftlich profitiert: So waren Verbraucher, die sich einen "geschmacklichen Genuss" leisten wollten (und konnten), aufgrund der geschlossenen Gastronomie "gezwungen", sich auf anderen Wegen mit "etwas Besonderem" zu verwöhnen. Nimmt man den unterstellten Trend, dass sich einige Menschen auch bewusst gesünder ernähren wollten, als These mit dazu, erklärt sich leicht, wie es zu den durchschnittlichen Wachstums-Zahlen von über 10 Prozent pro Jahr gekommen ist. Seitdem Restaurants nun zunehmend wieder (zumindest teilweise) geöffnet haben, kehren einige Kundengruppen wieder in die Gastronomie zurück. Soweit ein erwartbarer Effekt, der Teile des zwischenzeitlichen Wachstums einfach wieder korrigierte. Dass sich aber auch substanziell etwas verändert haben kann wird sichtbar, wenn man das Wachstum der Netto-Umsätze mit der Inflationsrate der letzten zwei Jahre ins Verhältnis bringt: Bedenkt man, dass sich die zunehmend steigenden Preise für Energie, Rohstoffe und sonstige betriebliche Ausgaben (faktisch handelt es sich bei einer Inflation eigentlich um eine Geldentwertung) der letzten Monate auch irgendwann im Lebensmitteleinzelhandel wiederspiegeln müssen, liegen die Umsätze der letzten Monate praktisch auf dem Niveau von 2019 - es zeigt sich aktuell also rechnerisch ein "Nullwachstum" der realen Absätze über zwei Jahre. Ungewöhnlich für eine Branche, die in den letzten Jahren durchweg von überdurchschnittlichem Wachstum geprägt war. Offen bleibt die Frage nach den tatsächlichen Ursachen: Zeigen sich hier die Vorboten einer größeren wirtschaftlichen Krise, die man durch die teilweise sehr starken Einschränkungen während der Coronazeit als logisch und absehbar bezeichnen kann oder bewegen wir uns in die Richtung einer Hyperinflation? Hat sich der "Trend zu Bio, Nachhaltigkeit und bewusster Ernährung" in den letzten zwei Jahren einfach wieder etwas zurück entwickelt? Oder schaffen es inhabergeführte Bioläden derzeit einfach nur nicht, die steigenden Anforderungen und Wünsche der Verbraucher zeitgemäß zu erfüllen? Man kann (und darf) auf vielen Ebenen trefflich spekulieren, pragmatischer ist die Frage was man als Inhaber eines Bioladens anhand von Zahlen bewerten und am Ende auch tatsächlich beeinflussen kann.



 

Durchschnittsbons auf hohem Niveau relativ stabil

Eine etablierte Möglichkeit die Umsatzentwicklung inhaltlich zu interpretieren bietet die Analyse der erzielten Durchschnittsbons. Sie ermöglicht Rückschlüsse auf die Zahl möglicher Stamm- und Neukunden und auf niedriger Ebene auch auf die innerbetrieblichen Prozesse: So lag der durchschnittliche Einkaufswert in der Corona-Zeit deutlich über dem Niveau der letzten Jahre. Eine Sonder-Auswertung, die wir jetzt mit einer Stichprobe aus den Umsatzbarometer teilnehmenden Händler vorgenommen haben, gibt für das Jahr 2021 einen minimalen Rückgang zum Vorjahr von 1,5 Prozent aus. Im Vergleich mit 2019 ist der Durchschnittsbon von 27,55€ aber weiterhin deutlich (+20,6%) über dem damaligen Niveau, als er bei 22,84€ lag. Im Jahresverlauf zeigt sich aber auch hier eine spürbare Verschiebung: