Das Angebot und auch die Nachfrage nach Bio-Produkten wächst. In den letzten Jahren konnte der konventionelle LEH die höchsten Wachstumsraten generieren, indem er nicht nur mehr Bio gelistet, sondern stetig die Werbetrommel gerührt und Kunden zu Bio eingeladen hat. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie das Bedürfnis nach gesunden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln weiter befeuert hat.
Aus Grundlage dieser Entwicklungen stellen sich einige Fragen für den Bio-Fachhandel:
Wie kann ein inhabergeführter Bioladen weiterhin Einkaufsstätte Nummer 1 bei Kunden sein bzw. werden, wenn Bio-Produkte überall erhältlich sind?
Was wünschen sich Kunden und welchen emotionalen Mehrwert schafft der Bio-Fachhandel?
Die Rheingold-Studie untersucht Bio-Kunden im Fachhandel
Am 12. Marktgespräch wurde die tiefenpsychologische Studie des Rheingold Instituts (beauftragt vom BNN) vorgestellt. Ziel der Studie war es die unterschiedlichen Motivatoren für den Einkauf von Bio-Lebensmitteln im LEH und Fachhandel genauer zu untersuchen, um Empfehlungen zur Positionierung auszusprechen.
In der Studie wurden zwei verschiedene Zielgruppen definiert, die in kleinen, mittleren und großen inhabergeführten Fachgeschäften einkaufen und im Nachgang befragt werden sollten. Zielgruppe 1 waren Menschen die mindestens einmal pro Woche im inhabergeführten Bio-Fachhandel und seltener auch im LEH kaufen. Zielgruppe 2 dagegen waren Menschen, die mindestens einmal pro Woche im LEH, aber auch teilweise in den Fachhandel gehen. Wir haben uns in diesem Blogbeitrag teilweise auf Begriffe bzw. Erkenntnisse aus der Studie gestützt. Am Ende des Beitrags gibt es noch unseren ganz persönlichen Tipp für Bioläden: Nämlich wie Bioläden ihre Schwachstellen aufspüren und die eigene Transformation weiter vorantreiben können.
Vom Bio-Erstkäufer im LEH zum treuen Bio-Käufer im Fachhandel
Beim Wocheneinkauf geht es viel um Gewohnheit und Routine. Es wird davon ausgegangen, dass Bio-Einsteiger ihre ersten Bio-Erfahrungen im LEH machen. Gesundheitliche Probleme wie Allergien, eine Ernährungsumstellung, ein Diät-Wunsch oder die Geburt eines Kindes ist der Beginn des Umdenkens zu Bio.
Die Hinwendung zum Fachhandel erfolgt erst später mit dem Zweifel an der Bio-Produktqualität im LEH. Niedrigere Preise und ein Angebot in Massen wird dann vom Verbraucher nicht mehr mit glaubwürdiger Bioqualität assoziiert.
Verbraucher setzen sich dann stärker mit Bio-Standards (Biomarken und Verbandsware) auseinander und besuchen häufiger einen Bioladen bzw. zum Einstieg Bio-Ketten, weil diese dem LEH am stärksten ähneln. Auf der Suche nach mehr Hintergrundwissen und Wertevermittlung, landen Bio-Interessierte dann im inhabergeführten Bioladen. Ab hier sollte der Fachhandel bewusst (Kundenansprache...) wie auch unterbewusst (Raumatmosphäre...) Überzeugungsarbeit leisten, indem Mehrwerte an den Kunden herangetragen werden.
In der Rheingold Studie ist die Rede vom Bio-Fachhandel als "Gesinnungsstätte". " - wir sprechen eher von einer ‚Werte-Gemeinschaft‘. Die Rede ist von Bio+, einem Ort an dem Wertschätzung und Verantwortung gegenüber der gesamten Wertschöpfungs-kette besteht. Das heißt, dass nicht nur die Produkte, sondern auch die Anbaubedingungen, Produzenten und Zwischenhändler fair behandelt (und bezahlt) werden sollen, ebenso wie die Mitarbeiter und Kunden vor Ort. Demzufolge sind die Kundenanforderungen an den Fachhandel weitaus höher als gegenüber dem LEH!
Ziel eines Bioladens sollte sein mit Individualität und Persönlichkeit zu punkten um eine Verbundenheit zum Kunden aufzubauen, ohne unprofessionell und zu dogmatisch zu wirken. Der Grat zwischen einem reinen Produktangebot (LEH) und der Wertevermittlung ist auszupendeln. Denn je größer die Strukturen werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass Werte und Individualität verloren gehen. Je kleiner ein Bioladen ist, desto persönlicher und wertegetriebener kann er sein. Was wiederum die Gefahr birgt vom Bio-Einsteigerkunden, der klare Strukturen aus dem LEH gewohnt ist, als zu dogmatisch wahrgenommen zu werden. Eine erkennbare Produktpflege, wie auch eine offene Kundenansprache sind zwei wesentliche Erfolgsgrößen. Das Gros der Kunden sollte sich beim Bio-Einkauf willkommen fühlen, ob Hard-Core-Öko, penibler Ordnungsfetischist oder SUV-Spontankäufer. Er sollte das finden was er sucht - sei es ein gehyptes veganes Produkt, eine entschleunigte Einkaufsatmosphäre oder die persönliche Produktempfehlung an der Käsetheke. Dafür benötigt es geschultes, bioaffines Personal, das auf die Kundenbedürfnisse eingehen kann.
Als Bioladen in die Transformation gehen
Auch wenn man als Händler seinen eigenen Bioladen als ausreichend ansprechend einstuft, spiegelt das nicht zwangsläufig die Kundenwahrnehmung wider. Bio-Schulungen, kontinuierliches Verbessern und Modernisieren sollten Bioläden regelmäßig auf Ihrer Agenda stehen haben. Um die Betriebsblindheit zu umgehen, sind Einschätzungen und Ideen von Außenstehenden hilfreich. Aus diesem Grund sind Ladenbeurteilungen nicht nur Teil unseres Beratungsangebots, sondern auch ein fester Bestandteil in unseren Erfahrungsaustauschgruppen (Erfa). Bei Erfa-Treffen begehen die teilnehmenden Bioladner gemeinsam den Bioladen eines Erfa-Kollegens und sprechen im Anschluss über mögliche Verbesserungen aus Kundensicht. Das tolle daran: man erhält kontinuierlich neue Impulse und konkrete Handlungsideen für seinen eigenen Bioladen. Der Diskurs auf Augenhöhe ist ein Win-Win für alle Teilnehmer.
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